Print-Logo Bodenheim

Über 140 Jahre Bodenheimer Ortsgeschichte

Ortsbürgermeister Thomas Becker-Theilig und Kulturbeauftragter Bernhard Marschall sind auf das Ergebnis ihrer historischen Aufarbeitung zu Recht stolz
Ortsbürgermeister Thomas Becker-Theilig und Kulturbeauftragter Bernhard Marschall sind auf das Ergebnis ihrer historischen Aufarbeitung zu Recht stolz

Galerie ehemaliger Bürgermeister skizziert Entwicklung der Gemeinde

Vierzehn Bürgermeister seit 1876, von elf gibt es Porträtbilder – genug für eine Bildergalerie der Bodenheimer Bürgermeister. Der derzeitige Amtsträger Thomas Becker-Theilig präsentierte die Galerie im historischen Rathaus der Ortsgemeinde, das auch heute noch Sitz der Verwaltung ist. Mit dabei war sein Vorgänger Alfons Achatz sowie eine Menge Angehöriger der bereits verstorbenen Bürgermeister. Überhaupt war der Grezzana-Saal bis an den Rand auch mit interessierten Bürgern und sogar mit ehemaligen Ratsmitgliedern mit ca. 70 Personen bis auf den letzten Platz gefüllt.

Mit dem Begrüßungssatz „Mit den Köpfen ehemaliger Bürgermeister ist die Geschichte jeder Gemeinde auf Ewigkeiten verbunden“ führte Ortsbürgermeister Becker-Theilig in die Veranstaltung ein und überraschte die Anwesenden danach mit einem spannungsgeladenen Vortrag. Bei der Vorstellung der einzelnen Bürgermeister wurde deutlich, wie eng die Geschichte des Ortes mit der „großen“ Geschichte verknüpft ist. Die Erfindung der Dampfmaschine und die damit verbundene Industrialisierung, mit der Entstehung von Arbeitsplätzen bei der benachbarten MAN, den Portland-Werken, dem Bau und der Inbetriebnahme der ortsansässigen Amichen-Bahnstrecke von Bodenheim nach Alzey. Diese Epoche begleitete die Amtszeit von Bernhard Schöller, der von 1876 bis 1895 die Amtsgeschäfte führt sowie von die Amtszeit von Hillarius Becker (1895 bis 1913). Weiter ging es mit Heinrich David Haub, der von 1913 bis 1920 die Geschäfte führte, der zudem mit einem wichtigen Punkt in der Entwicklung der Gemeinde verbunden ist: „Während Haubs Amtszeit erfolgte die Elektrifizierung des Ortes“, so Thomas Becker-Theilig.

Nach Haub´s Amtszeit ging es, analog zur großen Reichspolitik, ein wenig turbulent in der Bodenheimer Ortspolitik. Die Turbulenzen der beginnenden Weimarer Republik waren auch in Rheinhessen spürbar: Mehrere Bürgermeister wechselten sich im Amt ab. Zunächst ist hier Andreas Becker zu nennen, der aber infolge der „Ruhrbesetzung“ durch französische und belgische Truppen im Januar 1923 und dem Aufruf zum passiven Widerstand an Rhein und Ruhr abgesetzt wurde. Für ihn setzten die französischen Behörden zunächst Karl Winthart ein, der sich auch auf anderem Gebiet um die Gemeinde verdient gemacht hat: Dem leidenschaftlichen Heimatforscher ist es zu verdanken, dass die Geschichte von Bodenheim schriftlich niedergelegt werden konnte. Er hatte bereits 1913 seine lokalgeschichtlichen Forschungsergebnisse zusammengefasst, aber erst im Jahre 1955 wurde sein Lebenswerk der Öffentlichkeit vorgestellt. „Sein Buch dient noch heute als Grundlage sowohl für Fachleute wie auch für interessierte Bürger“, sagt der Kulturbeauftragte Bernd Marschall, der an der Recherche zu der Galerie maßgeblich beteiligt war.

Erst im Herbst 1923 beruhigte sich die Lage wieder. Bürgermeister Andreas Becker nahm seine Amtsgeschäfte im Oktober 1924 wieder auf, die er schließlich bis 1933 führte. Dazwischen gab es noch ein Intermezzo von Karl Holler, der von Juni 1923 bis Dezember 1923 auf dem Chefsessel Platz nahm. Bei den letzten freien Wahlen im November 1929 wurde er zudem in den Gemeinderat gewählt.

1933 übernahmen die Nazis auch in Bodenheim die Macht. Der NSDAP-Ortsgruppenleiter Anton Sauer wurde nach der Absetzung von Andreas Becker zunächst kommissarisch, ab 1934 dann offiziell zum Bürgermeister der Gemeinde. In dessen Amtszeit spielte der Gemeinderat keine Rolle mehr. Im Vordergrund der Gemeindearbeit stand vornehmlich die gemeindliche Teilnahme an den ausgerufenen nationalen Propogandaveranstaltungen der Reichsführung. Einzig bekannter wesentlicher Ratsbeschluss war die Ernennung von Reichspräsident Hindenburg und Reichskanzler Adolf Hitler zu Ehrenbürger von Bodenheim und die Umbenennung einiger Straßen. Mit dem Einmarsch der Amerikaner endete seine Amtszeit.

Erster Bürgermeister nach dem Krieg war Hermann Weber, der die Geschäfte von 1946 bis 1961 führte. Sein Name steht besonders in den Nachkriegsjahren für die bauliche, infrastrukturelle und wirtschaftliche Entwicklung der Gemeinde Bodenheim. Vorherrschendes Thema war in den 1950er-Jahren die Schaffung von Wohnraum. Während seiner Amtszeit wurden gemeindeeigene Grundstücke für den Wohnungsbau bereitgestellt, in der Rheinallee und im Kapellengebiet wurde neues Bauland erschlossen. Weitere wichtige Themen waren die Erstellung eines Kanalplans sowie die Planung einer Kläranlage, aber auch der Beschluss zum Bau der Umgehungsstraße zur B 9. Die Flurbereinigung im Unterfeld, der Ausbau der Hilgestraße für eine spätere Gewerbeansiedlung und die 1200-Jahrfeier fielen in seine Amtszeit. 1978 wurde Weber zum Ehrenbürger der Gemeinde ernannt.

Auf Weber folgte Heinz Schaub, der von 1961 bis 1973 der einzige hauptamtliche Bürgermeister in der Geschichte Bodenheims war. Gekennzeichnet ist diese Zeit durch die deutliche Ausweisung von Neubaugebieten, was zu einem Anstieg der Bevölkerungszahl führte. Durch die Ansiedlung mehrerer Gewerbebetriebe wurden gleichzeitig neue Arbeitsplätze geschaffen. Auch wurde die Schule umgebaut und erweitert. Der Planungsbeginn für das Baugebiet „Auf der Harle“, die Erschließungen der Neubaugebiete „An der Kapelle“ und „Setzerweg“ sowie der weitere Ausbau der Rheinallee fielen ebenfalls in seine Amtszeit. Ein Plus in der Bevölkerungszahl bilanzierte auch Horst Kasper, als er 1984 nach elf Jahren das Amt abgab. Zudem sind der Bau des Kindergartens am Setzerweg sowie die Sport- und Festhalle am Guckenberg eng mit seinem Namen verbunden. Auch schuf er die Voraussetzungen für eine moderne Abwasserbeseitigung sowie die Kanalisierung des Dorfes. Auch die Gründung des Volksbildungswerkes und des Heimatmuseums gehen auf ihn zurück.

Rekordhalter unter den Bodenheimer Bürgermeistern ist Alfons Achatz: Von 1984 bis 2009 hatte er im Rathaus das Sagen. 25 Jahre, in denen zahlreiche wichtige Projekte realisiert wurden. Neben der Entwicklung und Umsetzung eines Dorferneuerungskonzepts, der Ausweisung von Neubaugebieten – etwa Kapelle-Ahlen-Leidhecke- , der Ansiedlung zahlreicher Gewerbebetriebe mit dem Schwerpunkt Hightech, zählen auch die Gestaltung des Bahnhofumfeldes, der Bau eines Seniorenzentrums und die Schaffung des Dolles-Kultur- und Konferenzzentrums dazu. Ebenso erwähnenswert ist der Ausbau des Fremdenverkehrs mit der Verleihung als „staatlich anerkannte Fremdenverkehrsgemeinde“. In seiner Amtszeit wurde das 1250-jährige Ortsjubiläum im Jahre 2004 gefeiert.

Video der Veranstaltung

Artikel verfasst: 10.07.2017